Zukunftskonferenz ‘Roßleben 2035 – Mit Geschichte in die Zukunft’
Welche Themen muss die ‚alte Dame‘ Klosterschule jetzt anpacken, um sich für die nächsten zehn Jahren optimal aufzustellen? Welche aktuellen Trends in Gesellschaft, Wirtschaft und anderen Bereichen wirken in unsere Schule hinein? Wie können sich alle Mitglieder der erweiterten Schulgemeinschaft in die Gestaltung von Schule und Internat einbringen? Und nicht zuletzt: Kann es gelingen, spannende Projekte aus dieser Gemeinschaft heraus zu entwickeln, ohne auf Expertenwissen und Hierarchien bauen zu müssen?
Diesen und anderen Fragen widmete sich die Zukunftskonferenz ‘Roßleben 2035 – Mit Geschichte in die Zukunft‘, die vom 14. bis zum 16. Februar 2025 in der Klosterschule stattfand.
Repräsentation, Inklusion und Transparenz sind wichtige Aspekte von Zukunftskonferenzen, die man wohl treffender als ‚Zukunftswerkstätten‘ bezeichnen könnte. Zugrunde liegen stets dasselbe Konzept und dieselbe Struktur: Es geht darum, ‚das ganze System in einen Raum zu bringen‘. Mit anderen Worten: Es wird ein Querschnitt durch die betreffende Organisation gebildet, und alle Anspruchsgruppen beteiligen sich auf gleicher Augenhöhe an der Gestaltung ihrer Zukunft.
Die fünf aufeinander aufbauenden Arbeitsphasen einer Zukunftskonferenz nehmen insgesamt zwei halbe und einen vollen Tag in Anspruch. Verschiedene Wahrnehmungen werden gezielt in einen Dialog gebracht. So entwickeln sich Stück für Stück gemeinsame und von allen getragene Visionen. All dies geschieht zum einen in homogenen und gemischten Kleingruppen von jeweils acht Personen, die ihre Arbeit selbst regulieren, zum anderen im Plenum.
In unserer Konferenz bestanden die homogenen Gruppen aus:
- Erbadministratur und Leitung
- Verwaltung und Diensten
- Internen und externen Schülerinnen und Schülern
- Lehrerinnen und Lehrern
- Tutorinnen und Tutoren
- Ehemaligen
- Eltern
- Unterstützerinnen und Unterstützern
Eine Steuergruppe, bestehend aus den ‚Paten‘ für diese acht Gruppen und dem Moderator, Herrn John Webb, hatte bereits im April 2024 ihre Arbeit aufgenommen und in acht Sitzungen auf die Konferenz hingearbeitet. In zwei Sondersitzungen im Oktober 2024 waren die Werte und das Leitbild der Klosterschule überarbeitet worden.
Tag 1 (Freitag, 14. Februar 2025): Unsere geteilte Vergangenheit … und ein wenig Gegenwart
In der ersten Konferenzphase warfen die Teilnehmer in ihren heterogenen Gruppen (mit je einem Vertreter jeder Anspruchsgruppe) einen weiten Blick zurück auf die letzten dreißig Jahre. Drei Leitfragen standen dabei im Raum: Welche persönlichen Erinnerungen tragen wir in uns? Was geschah in Gesellschaft und Politik? Welche Ereignisse waren für die Klosterschule Roßleben prägend? Die Ergebnisse wurden auf drei Zeitachsen von jeweils sechs Metern Länge notiert, die danach zu einem großen ‚Patchwork‘ der Erinnerung zusammengeführt wurden. Auf der Grundlage dieser riesigen Datenmenge erarbeiteten die Gruppen jeweils eine ‚Story‘, die einen roten Faden durch das Dickicht der Erinnerungen legte. Diese ‚Aufwärmübung‘ verdeutlichte den Diskutanten, wie viel sich in kurzer Zeit aus verschiedenen, gleichberechtigten Perspektiven heraus erarbeiten lässt, ohne dass irgendjemand überzeugt oder gar überstimmt werden müsste. Damit war der Grundstein für alles Weitere gelegt.
Die wichtigsten Entwicklungen und Trends, die aktuell auf unsere Schule einwirken, war das Thema der zweiten Konferenzphase. In einer lebhaften Plenardiskussion entstand zu diesem Thema auf einer neun Quadratmeter großen weißen Wand eine Mind Map, in deren Zentrum die Worte ‚Klosterschule Roßleben‘ standen. Anschließend waren alle Konferenzgäste angehalten, aus der geradezu überwältigenden Fülle der Beiträge mittels Klebepunkten die sieben Trends auszuwählen, die sie persönlich für besonders bedeutsam halten.
Als die Top-Trends wurden identifiziert (in absteigender Reihenfolge der Wichtigkeit):
- Immer unklarere Abgrenzung: Was zeichnet Privatschulen gegenüber staatlichen Schulen aus?
- Rückläufige Schülerzahlen im Internat
- Nachlassende Fähigkeit bzw. Bereitschaft zum kritischen Denken
- Nachlassende Höflichkeit im Umgang miteinander
- Nachlassender Zusammenhalt in der Schulgemeinschaft
- Zunahme von ‚wohlstandsgesellschaftlichen‘ Symptomen
- Verlust an kultureller Bildung
- Sich abschwächende Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen
- Steigende psychisch-emotionale Belastung der Schülerinnen und Schüler
Tag 2 (Samstag, 15. Februar 2025): Unsere geteilte Gegenwart … und ein wenig Zukunft
Diese Impulse wurden zu Beginn des zweiten, vollen Konferenztages aufgenommen. Nach einer eingehenden Plenardiskussion über die neun Top-Trends setzten die Teilnehmenden die Denkarbeit in ihren homogenen (Anspruchs-)Gruppen nahtlos fort. Im Vordergrund standen hier die Fragen, welche Trends aus der Sicht jeweiligen der Gruppe die wichtigsten sind und welche Reaktionen vonseiten der Schule bereits erfolgt sind. Jede Gruppe erhielt anschließend die Gelegenheit, ihre Ergebnisse im Plenum zu präsentieren.
Es folgte ein intensiver Austausch über ein etwas sensibles Thema, nämlich die ‚proudest prouds and sorriest sorries‘: Worauf können wir – als Anspruchsgruppe, nicht als die Schule in ihrer Gesamtheit – besonders stolz sein? Was sollte uns besonders leidtun? Auch diese Gruppenaktivität wurde mit kurzen Präsentationen im Plenum abgeschlossen.
In der dritten Hauptphase der Konferenz waren die Teilnehmenden aufgerufen, ihre kreativen Energien zu mobilisieren und auf ein gemeinsames Ziel hin zu bündeln. In den durchmischten Kleingruppen wurden Optimalszenarien für das Jahr 2035 erarbeitet. Im Mittelpunkt stand also nicht die Überlegung ‚Wie wird sich die Klosterschule wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren entwickeln?‘, sondern es waren die Wünsche und Visionen aller Beteiligten gefragt. Bei der anschließenden Vorstellung der Szenarien im Plenum waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Mehrheit der Gruppen entschied sich für die eine oder andere Form des szenischen Spiels. Wer sich bis dahin noch nicht aus seiner ‚Komfortzone‘ gewagt hatte, für den gab es nun kein Verstecken mehr…
Nach der wohlverdienten Kaffeepause begann die erste, ‚kleine‘ Einigungsrunde. In den heterogenen Gruppen trugen die Teilnehmenden jene Aspekte einer erstrebenswerten Zukunft zusammen, die sie als besonders wichtig erachteten. Auf den Flipcharts, die immer dichter beschrieben wurden, erschienen oberhalb einer roten Trennlinie die Gemeinsamkeiten – Aspekte der Zukunft, auf die sich allen Gruppenmitgliedern einigen konnten – und unterhalb derselben die Differenzen – Aspekte, die keine einstimmige Unterstützung in der Gruppe fanden. Auch für diese Konferenzphase galt: Ziel war die Konsens-Findung; niemand sollte überzeugt oder gar überstimmt werden. Anschließend stellten die Gruppen ihre Ergebnisse im Plenum vor.
In der zweiten, ‚mittleren‘ Einigungsrunde fanden sich jeweils zwei Kleingruppen zusammen. Diese Doppelgruppen verständigten sich ihrerseits nach dem Prinzip der Einstimmigkeit auf Gemeinsamkeiten, ohne dabei ihre Differenzen auszublenden. Kurz vor dem Ende eines kräftezehrenden, aber ungemein anregenden und produktiven zweiten Konferenztages wurden die Ergebnis-Flipcharts dieser Einigungsrunde zusammen aufgestellt. Für reichlich Gesprächsstoff bei dem anschließenden Abendessen und bei dem Empfang in der Erbadministratur war gesorgt.
Tag 3 (Sonntag, 16. Februar 2025): Unsere geteilte Zukunft
Das Endprodukt einer jeden Zukunftskonferenz bilden Schwerpunktprojekte, zu denen sich alle Teilnehmer bekennen können und deren Umsetzung – mitsamt allen Zuständigkeiten – verbindlich festgelegt wird. Dies war sozusagen die Ziellinie für den abschließenden Konferenztag.
Dieser begann mit der dritten, ‚großen‘ Einigungsrunde im Plenum. Erneut bestand die Aufgabe darin, in der offenen Diskussion Aspekte zu finden, denen alle Anwesenden zustimmen konnten. Das am Samstagnachmittag in der ‚mittleren‘ Einigungsrunde generierte Input wurde in zwei Kategorien aufgeteilt: ‚Dies wollen alle‘ und ‚Dies wollen manche‘. Punkte, die auf den Widerspruch auch nur einer Person trafen, wurden automatisch der zweiten Kategorie zugeordnet. Auf diesem Wege entstanden nach und nach in gemeinsamer Arbeit die ‚Roh-Ideen‘ für nicht weniger als neunzehn Entwicklungsprojekte.
Die Planung konkreter Maßnahmen war das Ziel der fünften und letzten Konferenzphase. In einer ersten Runde waren die Teilnehmenden eingeladen, Themengruppen zu gründen, in die sie sich gerne einbringen möchten, oder sich den Themengruppen anderer anzuschließen. Erste Planungsideen wurden im Kreis der Gruppe ausgetauscht und im Plenum vorgestellt.
In der zweiten Runde dieser Abschlussphase trieben die Mitglieder der verschiedenen Gruppen ihre Planungen weiter voran. Im Sinne einer Selbstverpflichtung wurde festgelegt, wer bis wann welche Arbeitsschritte ausführt, damit die jeweilige Themengruppe auf der Nachkonferenz in drei Monaten erste Erfolge vermelden kann. Diese groben Projekt(ablauf)pläne wurden abermals auf Flipcharts notiert und anschließend vorgestellt.
Die neunzehn Projekte im Überblick:
- Erarbeitung eines pädagogischen Konzepts
- Schaffung einer Feedbackkultur
- Campusentwicklung
- Schulung digitaler Kompetenzen
- Angebot zur Berufsorientierung
- Ausbau des Gildenangebotes
- Aufbau eines Alumni-Netzwerks
- Erhöhung der Schülerzahlen
- Optimierung schulinterner Abläufe und Strukturen
- Pflege regionaler Kooperationen
- Integration neuer Schüler und Mitarbeiter
- Förderung der Mitarbeitergesundheit
- Ausarbeitung eines Kunst- und Kulturprogramms
- Kooperationen mit Vereinen
- Roßleber Diplom & Life Skills
- Förderung der psychischen Schülergesundheit
- Wiederbelebung der Roßleber Gespräche
- Stärkung der Schülermitverantwortung
- Förderung der Gemeinschaftsbildung
Alle, die sich der Klosterschule Roßleben verbunden fühlen, sind eingeladen, sich in eines oder mehrere dieser Projekte einzubringen. Die Schulleitung beantwortet gerne Nachfragen jeder Art.
Am 17. Mai 2025 werden alle Teilnehmer zu einer Nachkonferenz in der Klosterschule zusammenkommen und einander über den Fortgang ihrer Projekte berichten. Interessentinnen und Interessenten sind herzlich eingeladen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
Text: Dr. Karsten Plöger




